Tagada, kleine Schnitte und neue Freunde

Chirurgie-Training in Mengo Klinik, Kampala / Uganda

friends

Das Mengo Hospital in der Hauptstadt Kampala ist mit 120 Jahren nicht nur das älteste Spital Ugandas, sondern sogar das älteste in ganz Ostafrika.

Die Klinik wurde 1897 von Sir Dr. Albert Ruskin Cook, einem britischen Mediziner und Missionar gegründet, der nach einer Uganda-Reise – fasziniert von Menschen und Land – beschloss sein ganzes Leben der medizinischen Ausbildung der hiesigen Bevölkerung zu widmen.

Gemeinsam mit seiner Frau Katherine gründete er auch die erste Hebammenschule in Uganda und sein Neffe Ernest brachte 1907 – damals eine aufsehenerregende Sensation – das erste Röntgengerät nach Ostafrika, hierher in das Mengo Hospital.

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Diese Tradition, die möglichst modernste medizinische Ausstattung in Uganda, einem Land mit fast 40 Millionen Einwohnern, zu haben, setzt sich heute noch fort. Die Augenabteilung verfügt über mehrere Spezialambulanzen und eine Sehschule.

Weiters gibt es vier erfahrene Chirurgen für Katarakt-, Lid- und Glaukomchirurgie. Eine weitere Chirurgin wurde durch ein internationales Fellowship auch auf dem Gebiet der Netzhaut- und Glaskörperchirurgie ausgebildet. Das vorhandene Equipment für die Netzhautchirurgie beinhaltet zwar nur die nötigsten Utensilien, doch ein gutes Mikroskop und Operationsgerät sind vorhanden.

Surgical Training for Retinal problems

Nachdem in den letzten Jahren die Instrumente und Techniken gerade auf dem Gebiet der Netzhautchirurgie stark weiterentwickelt wurden, hatte ich im Oktober 2016 die Gelegenheit neue Technologien und meine Erfahrung eine Woche lang ehrenamtlich am Mengo Hospital einzubringen.

Es war mir ein großes Anliegen Dr. Ljubo, der Spezialistin vor Ort, die Makulachirurgie näher zu bringen und sie bei einigen besonders schwierigen Netzhautfällen zu unterstützen. Weiteres gelang es mir auch sechs „Kleinschnittpackages“ und einige Instrumente kostenfrei mitzubringen.

Chirurgie Training

Die Vorbereitungen für meinen Aufenthalt in Kampala waren sehr anstrengend. Besonders die nötigen Impfungen und die Zusammenstellung der notwendigen Dokumente und Empfehlungsschreiben für die Lizenz, um als Chirurgin in Uganda arbeiten zu können, benötigten viel Zeit und noch mehr Geduld. Eine solche Lizenz halte ich jedoch – trotz aller Mühen – für sehr vernünftig, da sie eine adäquate Behandlung und Versorgung auf hohem Niveau gewährleistet und so Operationstourismus von unerfahrenen Chirurgen verhindert werden kann.

Die Anreise verlief wie geplant, und auch der Koffer mit dem chirurgischen Equipment passierte, dank dem Bestätigungsschreiben des Mengo Hospitals, den Zoll ohne größere Wartezeiten.

airport-uganda

Was ich dann gleich bei der Ankunft gelernt habe:
Manchmal muss man Umwege nehmen, um schneller ans Ziel zu kommen.

Der Verkehr in Kampala ist deutlich schlimmer als bei uns. Vor allem in der Früh und nachmittags kommt es regelmäßig zu einem Stau in der Stadt mit ihren 1,3 Millionen Einwohnern, der ganze Straßen lahmlegt. Neben vorwiegend japanischen Automarken sind viele Motorräder unterwegs, meist mit zwei oder sogar drei Personen besetzt und Helme auf den Köpfen sind die Ausnahme, die man sehr selten sieht.

Uganda Motorrad

Unsere Fahrt zum Hotel verlief recht holprig, nachdem der Fahrer – um dem großen Verkehr zu entgehen – weniger befahrene Seitenstraßen gewählt hatte, die uns dafür ordentlich durchschüttelten. Nach der Autofahrt fühlte ich mich, als wäre ich einige Runden Tagada in einem Freizeitpark gefahren.

tagada fahrt

Am Montag Früh wurde ich von einem Klinikmitarbeiter abgeholt. Mein erster Tag im Mengo Hospital begann mit einer Führung durch die Augenabteilung und die Vorstellung der Mitarbeiter und Kollegen. Ich wurde äußert herzlich mit „die Ärztin, auf die wir gewartet haben” und voller Erwartung begrüßt. Bevor ich überhaupt mit meinem Fachwissen den Erwartungen entsprechen konnte, waren meine blonden Haare die Attraktion des Tages.

Mengo Hospital

Dr. Ljubo, die Netzhautkollegin, mit der ich in den nächsten Tagen die Untersuchungen und Augenoperationen durchführte, ist eine sehr fröhliche und junggebliebene 50-Jährige, die ihre ganze Familie ernährt. Nachdem sie sehr viel arbeitet, übernimmt Ihre Familie den Haushalt, sodass sie sich auf die Arbeit konzentrieren kann.

Sogleich nach der Vorstellung begannen Dr. Ljubo und ich, Patienten mit Makulaerkrankungen und Netzhauterkrankungen zu untersuchen. Hierbei wurde dann auch die Entscheidung für notwendige Operationen getroffen.

Augenuntersuchung

Im Anschluss besichtigte ich den Operationssaal und das Equipment. Das Mikroskop und das Operationsgerät waren mir gut bekannt und entsprachen auch unseren Standards. Die Patientenliege aber erinnerte eher an eine Pritsche aus Metall.

Obwohl alle Eingriffe in örtlicher Betäubung durchgeführt wurden, waren die Patienten trotz mittelbequemer Lagerung äußerst kooperativ.

Mein Operationssessel war ein Art Schreibtischstuhl und nicht gut höhenverstellbar, aber ich gewöhnte mich mit der Zeit daran. Die Hygienemaßnahmen sind dafür auf hohem Niveau, was mich sehr freute und auch die sehr geringe Infektionsrate der Abteilung wiederspiegelt. Das gesamte Operationspersonal ist bestens ausgebildet.

Besonders positiv fielen mir das Engagement und die Begeisterungsfähigkeit der chirurgischen Schwestern auf, die die Kleinschnittinstrumente und die neuen Utensilien sehr begrüßten.

Insgesamt führte ich an den folgenden drei Tagen sechs Netzhautoperationen, Vitrektomien, (wie z. B. bei phaken oder pseudophaken Patienten mit Netzhautabhebung, Glaskörperblutung oder Makulaerkrankung) durch. Dr. Lubjo assistierte mir bei allen Patienten. Weiters assistierte ich Ihr bei zwei Patienten mit Makulaforamen. Bei zwei weiteren Patienten führte ich einen kombinierte Katarakt-Operation und Netzhautoperation durch. Wir arbeiteten mit Endolaser und Silikonöltamponaden, machten Membranpeelings und führten vorwiegend 23-Gauge Vitrektomien, aber auch 20- Gauge Vitrektomien, durch.

Augen OP

Zwei von unseren Patienten waren sogenannte „einäugige Patienten“, mit schweren Netzhautabhebungen am besseren Auge. Diese wurden akut eingeschoben, da es hier um die Erhaltung ihres Sehvermögens ging. Die Patienten waren schon beinahe blind und mussten von Begleitpersonen in die Klinik geführt werden. Als einer der Patienten einige Tage nach der Operation zur Untersuchung kam, berichtete er voller Dankbarkeit, dass er alleine gekommen sei, also nicht mehr geführt werden musste. Diese wunderbaren Momente geben meinem Tun einen Sinn und ich bin sehr dankbar, dass ich Menschen helfen darf Ihr kostbares Augenlicht zu erhalten.

Pro Tag schafften wir 2 bis 3 Netzhautoperationen mit mehr oder weniger großen Schwierigkeiten, wie zum Beispiel gebrechlichem älterem Equipment, Fehlen von bei uns üblichen Utensilien und anderen kleineren Hürden. Die mitgebrachten Packages hingegen funktionierten einwandfrei, wir konnten erfolgreich mit den nahtlosen Kleinschnittsystemen (23 Gauge Instrumenten) arbeiten.

Zu Mittag wurde immer gekocht und wir nahmen unser Mittagessen gleich vor Ort am Boden sitzend im OP-Vorraum ein. Nachdem wir nicht viele Pausen machten und die Augenoperationen anstrengend waren, waren wir am Abend verdient müde. Am dritten Tag, beim Sterilisieren der Instrumente zwischen zwei Operationen, wurden wir auf ein leises Schnarchen aufmerksam. Ein OP-Gehilfe war in einer Ecke des Raumes eingenickt. Und wurde erst durch unser Lachen geweckt.

Ich bin optimistisch, dass Dr. Ljubo in Zukunft einige Patienten mit Makulaerkrankungen auch selbst operativ versorgen wird. Sie ist eine sehr geschickte Chirurgin, was ich auch bei Eingriffen im Bereich des vorderen Augenabschnittes feststellen konnte.

Operation Augen Chirurgie-Training

Die von mir durchgeführten postoperativen Patientenkontrollen verliefen wie gewünscht. Die Patienten waren beschwerdefrei, sahen gut aus und waren überaus dankbar. Ich konnte den Patienten auch Verhaltensmaßnahmen sowie Therapieempfehlungen geben.

Die Verständigung gestaltete sich dabei in den meisten Fällen sehr unproblematisch, da fast jeder Englisch – neben Swahili die zweite Amtssprache Ugandas – spricht.

Ich habe die äußerst nette Atmosphäre in der Augenabteilung sehr genossen, ich fühlte mich während meines ganzen Aufenthaltes vom ersten Augenblick an herzlich willkommen.

Freitagnachmittag schließlich verabschiedete ich mich vom gesamten Team und versprach, wenn alles planmäßig verläuft, mit mehr Equipment wiederzukommen.

Die Zeit und meine Erfahrungen beim Operieren haben mir einige sehr hilfreiche Ideen zur Verbesserung beschert, davon konnte auch die Augenabteilung und somit auch die Patienten profitieren.

Danke Augentraining

Zusammenfassend war die Woche in Kampala zwar sehr anstrengend, mit etlichen Herausforderungen, aber auch mit vielen erfreulichen Momenten, die ich nicht missen möchte. Der Aufenthalt hat mich nicht nur beruflich, sondern auch privat bereichert. Und neue Freunde in mein Leben gebracht.

Chirurgie Training Augen

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